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Das Wappen der Schriftsetzer.

Gautschen in Guetersloh – eine verlorene Tradition, eine Hudelei

Gautschen in Gütersloh – eine verlorene Tradition, eine Hudelei

#Gütersloh, 3. Dezember 2025

Kaum eine #Tradition des deutschen #Handwerks war so kurios, so lebendig und so identitätsstiftend wie das #Gautschen.

Über Jahrhunderte markierte es den Übergang vom Lehrling zum Gesellen in der »#Schwarzen #Kunst« – im Bereich des #Buchdrucks, der #Setzerei und später auch der #Medienproduktion. Der Lehrling wurde per Urkunde von aller Hudelei losgesagt (Hudelei ist #Pfusch, #Schlamperei, #Nachlässigkeit).

In Gütersloh, einst geprägt von #Druckereien, #Verlagen und #Satzbetrieben, gehörte das Gautschen bis in die 1980er Jahre hinein ganz selbstverständlich zum Berufsalltag. Heute ist es nahezu verschwunden.

Was Gautschen eigentlich war

Das Gautschen ist ein Initiationsritus, der bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Die #Zeremonie sollte den #Lehrling symbolisch von der Bleifarbe und den Sünden der Lehrjahre reinigen. Traditionell wurde der frisch geprüfte #Setzer oder #Drucker auf einen nassen #Schwamm gesetzt, während der »Schwammmeister« einen 2. Schwamm über dem Kopf ausdrückte und er von den Packern festgehalten wurde.

Dazu gehörte die ritualisierte Formel, die mit »Packt an, Gesellen!« beginnt – ein Satz, den jeder gegautschte Mensch bis heute im Ohr hat. Das Ganze war halb ernst, halb feierlich und immer humorvoll. Ein Übergangsritual, das Gemeinschaft stiftete und Respekt verlieh.

#Flucht, #Jagd und das unvermeidliche #Wasser

Ein lebendiger Bestandteil dieser Tradition war die #Flucht des Lehrlings. Er musste sich verstecken, durfte aber nicht zu gut fliehen, denn Teil des Rituals war, dass die sogenannten »Packer« ihn finden und zur Gautschstelle bringen.

Wer nicht gefunden wurde, verzögerte die Feier – kam aber letztlich immer zurück. Denn ohne Gautschen gab es keinen Gautschbrief, die symbolische Urkunde, die jahrhundertelang als inoffizielle Eintrittskarte in die Gemeinschaft galt.

In vielen Gütersloher Betrieben verlief das Ritual weniger traditionell und deutlich nasser: Nicht der Schwamm, sondern der Pool oder das große Wasserbecken dominierte. Voll bekleidet, versteht sich.

Und selbstverständlich: Die frisch Gegautschten mussten die Feier bezahlen – ein unausgesprochener Ehrenkodex.

Der Gautschbrief – bedeutungslos und bedeutend zugleich

Rechtlich hatte der Gautschbrief nie eine Wirkung. Doch im sozialen Gefüge der Drucker und Setzerwelt war er bis in die 1980er Jahre hinein entscheidend. Wer keinen Gautschbrief vorweisen konnte, galt unter Kollegen als »ungesellt«, als nicht vollständig aufgenommen in die »Schwarze Kunst«.

Es war ein Dokument mit Symbolkraft. Von mehreren Zeugen unterschrieben, oft kunstvoll gestaltet, mit Zunftzeichen und traditionellen Formulierungen. Ein Stück Identität – und ein Stück Kulturgeschichte.

Warum die Tradition verschwand

Mit der #Digitalisierung starb die klassische Setzerei. Berufsbilder veränderten sich. Lehrwerkstätten schlossen, und mit ihnen verschwanden auch die Rituale. #Agenturen, #Bildschirmarbeit und #Workflow #Systeme ersetzten die handwerkliche Welt, in der das Gautschen lebte.

Hinzu kamen neue Arbeitsstandards, Haftungsthemen und Sicherheitsvorschriften – und irgendwann war das Gautschen nur noch eine Anekdote älterer Kollegen.

Was bleibt

In einigen Archiven existieren noch Gautschbriefe aus Gütersloh. Einige hängen, wie damals üblich, gerahmt an den Wänden ehemaliger Drucker und Setzer. Sie erzählen von einer Zeit, in der Arbeit noch Rituale kannte, in der #Kollegialität nicht nur ein #Wort war, und in der eine kleine Zeremonie den Übergang in ein Berufsleben markierte.

Gautschen war ein Fest.

Ein Spaß.

Ein Gemeinschaftserlebnis.

Und ein Teil der #Kulturgeschichte nicht nur Güterslohs, der leise verschwunden ist.

Vielleicht ist es Zeit, diese Tradition wenigstens in der Erinnerung wieder wachzurufen.

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