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Foto: Artem Podrez

Auspuffkultur – eine Archaeologie des analogen Lebens

#Auspuffkultur – eine #Archäologie des analogen Lebens

#Gütersloh, 6. Dezember 2025

Es gab einmal eine #Zeit, die heute fast märchenhaft wirkt.

Eine Zeit, in der der #Auspuff ein alltägliches Gesprächsthema war und die #Polizei ein akustisches Messgerät, das schon aus 200 Metern Entfernung den technischen Zustand eines Autos diagnostizieren konnte.

Eine Zeit, in der man ohne Weiteres irgendwo draußen übernachtete, ein Lagerfeuer machte – und niemand fragte, ob das erlaubt sei.

Diese Zeit nannte man früher schlicht #Leben. Heute erscheint sie uns wie ein Mythos: die Ära der Auspuffkultur.

Damals: der #Endtopf als Alltagsdrama

Wer in den 80ern oder 90ern ein altes #Auto fuhr, wusste: Der Auspuff war kein Bauteil – er war eine Lebensaufgabe. #Rost, #Risse, wackelnde Halterungen, gebrochene Rohre, dröhnende Endtöpfe. #Gun #Gum, #Auspuffpaste, #Coladosen, #Draht – das waren die Standardwerkzeuge.

Und die #Polizei war immer hellwach: Mit kaputtem Auspuff kam man kaum vom #Hof. 2 Straßen weiter gab’s die erste Kontrolle, einen #Mängelbericht, manchmal einen väterlichen Ratschlag. Es war eine #Epoche, in der gesellschaftliche #Ordnung nicht durch Verbote, sondern durch Präsenz und praktisches Eingreifen entstand.

Die Autos hatten Charakter – und Ansprüche

Ich erinnere mich an meinen #Toyota #Hilux #4WD: ein #Geländewagen im klassischen Sinne – Überrollbügel mit Scheinwerfern, #Bullenfänger, #Warn #Winsch, Chromfelgen, BF Goodrich All Terrains, dezent höhergelegt. Ein Fahrzeug, das so viel Präsenz hatte, dass selbst Bauarbeiter kurz innehielten.

Im Gelände enttäuschte er anfangs – bis ich zufällig erfuhr, dass er vorne manuelle #Freilaufnaben hatte. Lock. Free. Ein analoges Bekenntnis zur Mechanik, ohne das kein Allrad der Welt etwas tut. Danach ging der #Hilux wie ein kleiner Panzer – nur der Rückwärtsgang sprang gelegentlich raus, was ein Rückwärtseinparken zu einer Art Fingerspiel mit dem Schicksal machte.

Später kam ein #Nissan #King #Cab 4WD. Fast neu. Robust. Zu robust, dachte ich, als ich einmal ein paar #Stahlgestelle über eine #Wiese zog und das #Getriebe beschloss, künftig nur noch den Rückwärtsgang und den 5. Gang zu unterstützen. Mit Gefühl an der Kupplung konnte man trotzdem ganz normal fahren. Der Rest klang wie ein Schraubensortiment in einer Betonmischmaschine. Nissan verweigerte #Kulanz. Zurecht.

#Bad #Laer: das geheime Testgelände

Unsere Abenteuer spielten oft am #Baggerseegelände in Bad Laer – ein halblegaler, halb mythologischer Ort, der gleichzeitig Offroadgelände, Jugendzentrum und Naturfreibad war. Die #Bauarbeiter blockierten jedes Wochenende die Zufahrten: #Betonblöcke, weggebaggerte #Wege, 3 Meter Abbruchkante. Wir sahen es und dachten: Hier kommt keiner hoch.

Bis wir eines Tages einen #Citroën #Méhari auf dem Gelände entdeckten. Ein ultraleichtes Kunststoffwunder mit 30 PS, das aussah, als gehöre es eher an einen #Strand in #Südfrankreich. Und doch stand es dort, seelenruhig, zwischen Hilux und #Jeep CJ7. Unfassbar – aber auch ein Beweis dafür, wie frei, kreativ und improvisiert diese Zeit war.

Draußen schlafen – einfach so

Manchmal blieben wir über Nacht. #Lagerfeuer, #Bratwurst, #Schlafsack, #Sternenhimmel. Es war völlig normal, irgendwo zu zelten: am #Dümmersee, am #Alfsee, im Bergischen Land. #Fahrrad, #Motorrad, #Zelt – und los.

Heute ist das praktisch ausgestorben. #Wildcampen ist verboten, offene #Feuer sind riskant, und wer draußen schläft, gilt sofort als Festivalgast oder Problemfall. Die Freiheit, einfach so irgendwo zu sein, hat sich in eine reglementierte Ausnahme verwandelt.

Die Auspuffkultur ist verschwunden – und mit ihr die Welt dahinter

Autos sind heute perfekt. Sie rosten nicht mehr. Sie haben Sensoren, Kontrollsysteme und hunderte von Warnmeldungen. Sie funktionieren – aber sie erzählen keine Geschichten mehr.

Die Polizei ist kaum noch sichtbar. Das #Ordnungsamt patrouilliert, aber vor allem in Uniform und Pose. Regeln gibt es mehr denn je – doch sie werden selten kontrolliert und selten gelebt.

Die Auspuffkultur war vielleicht laut, vielleicht chaotisch, vielleicht nicht #TÜV konform. Aber sie stand für eine Zeit, in der Menschen improvisierten, Verantwortung übernahmen, und eine Art informelle Ordnung existierte, die heute kaum noch vorstellbar ist.

Man könnte auch sagen: Früher war vieles kaputt – aber die Gesellschaft funktionierte. Heute funktioniert vieles – aber die Gesellschaft ist kaputt.

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